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The stupid white man Michael Moore

Nachhilfe in Sachen angewandte Demokratie

Immer wenn ein Buch die deutsche Bestsellerliste anführt, sollte Vorsicht geboten sein. Innerhalb weniger Tage war Norman G. Finkelsteins Buch "Die Holocaust-Industrie" ausverkauft, auch Martin Walsers "Tod eines Kritikers" und Jörg Friedrichs "Der Brand" wurden zum einträglichen Geschäft für jeden Buchhändler. Michael Moors "Stupid White Man" ist ebenfalls bereits in der 22. Auflage erschienen. Beliebtheit findet das Buch nicht nur unter denen, die man vor dreißig Jahren noch Otto-Normal-Vergaser nannte, sondern auch unter Deutschlands Linken. Dass zehntausende Bundesbürger ihre antiamerikanischen Ressentiments bestätigt sehen wollen, ist wohl der wesentliche Beweggrund, das Buch zu kaufen.

Michael Moore ist allerdings kein Antiamerikaner. Kein mit Selbsthass Zerfressener. Er ist das, was man hierzulande einen Verfassungspatrioten nennen würde. Er ist amerikanischer Patriot. Ein Verbitterter zwar, der sein Elend im Präsidenten entdeckt, denn, "es ist diese verdammte geklaute Wahl. Gestohlen, geraubt, geklaut und dem amerikanischen Volk aus den Händen, ja, aus dem Herzen gerissen." (16) Ein angelsächsischer Lafontaine. Ein Linksliberaler, der bemängelt, "dass Ihre Dienste als Staatsbürger nicht mehr benötigt werden." (17) Ein Politikverdrossener, der sich beklagt, dass die Politiker "alles nur eitle Schwätzer (sind), und je eher sie merken, dass wir ihnen auf den Fersen sind, desto schneller bekommen wir unser Land zurück." (19) So wundert es auch nicht, dass Moore für die "Green Party" und für seinen Freund und Präsidentschaftskandidaten Ralph Nader 2000 den Präsidentschaftswahlkampf mit organisierte. Wenn Moore nun den weißen, dummen, gewalttätigen Amerikaner als Projektionsfläche heranzieht, möchte er das Gegenteil, der anständige, friedvolle, gute Amerikaner sein. Den Deutschen interessiert das wenig, hauptsache er bekommt ideologische Munition gegen das verhasste Amerika. Er sieht in Moors Pamphlet nur die Bestätigung, dass die Amerikaner seit jeher schon dumm, gewalttätig und kulturlos sind.

Ansonsten käut das Buch all das wider, was mit der deutschen Ideologie konform geht und zu widerlegen ist:

1

Als ob eine Wahl, die Abgabe der eigenen Müdigkeit an ein abstraktes Prinzip, welches gar nicht abstrakt mittels Gewalt als ideeller Gesamtkapitalist den Menschen zum verkümmerten Funktionsträger degradiert, nicht immer schon Betrug wäre, wird der Wahlbetrug angeprangert. So wird aus Bush der "illegitime Herrscher" (35). Einen legitimen Herrscher wählt man anständig und nennt ihn dann Präsident. "Es steht zweifelsfrei fest, dass Al Gore zum Präsident gewählt wurde." (34) Was Al Gore nie in den Sinn käme, tun G.W. Bush & Freunde auch noch illegal: "Wie Sie sehen können, meine lieben Freunde und Nachbarn, hat es dieses Regime darauf abgesehen, in die eigenen Taschen zu wirtschaften." (48)

Johannes Agnoli sprach in der "Transformation der Demokratie" davon, dass das Parlament nur im Bewusstsein der Wähler eine eigene Aktivität entwickelt. "Und genau das ist für eine erfolgreiche Herrschaftsmethode unerlässlich: Dass ein Teil der politischen und gesellschaftlichen Oligarchien sichtbar im Parlament tätig (also dem Schein nach öffentlich kontrollierbar), sichtbar vom Volke gewählt (damit zum Herrschaftsakt demokratisch legitimiert) und sichtbarer Träger von Macht (und in der Lage, moralisch verpflichtende Wählerwünsche durchzusetzen) ist." Im Gegensatz zu Michael Moore beklagt sich der kommunistische Kritiker Agnoli nicht über eine - zu Unrecht angeprangerte - Einflusslosigkeit der Wähler, sondern ordnet diese in den inneren Aufbau der demokratischen Herrschaft ein.

2

"Wir, das Volk, können eine Bewegung ins Leben rufen, die schließlich die Bush-/ Cheney-Junta zu Fall bringen wird." (48)

"Wir sind das Volk" Germans, 1989

Völker sind willentlich zusammengefügte und staatlich organisierte Zwangskollektive, die sich nur in Abgrenzung zu anderen Zwangskollektiven konstituieren können. Ohne das Fremde zu verfolgen, zu assimilieren, auszugrenzen oder gar zu vernichten kann kein kollektiver Wahn, und ein Volk gibt es eben nur als einen solchen, existieren.

Das Volk erscheint als ein Naturzustand, in dem jeder seinen festen Platz einnehmend, mit dem Ziel das Ganze zu erhalten, die Verwertung des Kapitals friedlich und gewaltsam, zwanghaft und freiwillig zugleich erledigt. Das immer auch als Nation auftretende oder im Falle der Verhinderung, als das gerne als Nation auftreten wollende Volk ist das Fußvolk des Staates.

Der Kommunismus bedeutet die Auflösung dieser Zwangskollektive, das verdiente Ende von Volk und Nation, die Weltgesellschaft der Freien und Gleichen. Der positive Bezug auf das Volk ist hingegen immer die ideologische Manifestation der herrschenden Verhältnisse, für den Kommunisten daher ungeeignet.

3

"Kontaktieren Sie Ihre Abgeordneten regelmäßig" (48), "Zwingen Sie die Demokraten, ihre Arbeit zu machen" (49), "SIE müssen kandidieren", "Halten Sie sich an die Parteigesetze der Bundesstaaten, und übernehmen Sie die Macht" (50) "Ich habe genug davon, ... mir Scheiße von Jammerlappen anzuhören, ...die niemals ein paar Stunden ihrer Zeit jede Woche opfern werden, um Staatsbürger zu sein, die höchste Ehre eines freien Menschen in der Demokratie." (303)

Petitionen, Wahlen, ziviler Ungehorsam. In jedem Fall gewaltfrei.

Kein Vertragsabschluss, kein Warentausch, keine gesellschaftliche Begegnung, die nicht über die Gewalt vermittelt oder zumindest bei Widerhandlung mit Gewalt bestraft wird. Ohne den Staat als Garant des Warentausches funktioniert der Kapitalismus nicht. "Gewaltlose Politik" ist bloße Ideologie. Wenn der Staat seinen Entscheidungen nicht Geltung verschaffen kann, wären diese nichtig. Das Leugnen dieses Gewaltverhältnisses bedeutet somit das Einverständnis mit der Macht. Der Gewaltverzicht ist also nichts weiter als das Erstarren vor der Staatsgewalt. Das Einverständnis mit der Staatsmacht. Deshalb ist die Kritik der politischen Gewalt nie die Kritik der Staatsgewalt. Sie meint immer die Gewalt, die sich gegen den Staat richtet. Die staatliche Gewalt erscheint höchstens als unangemessen, niemals aber als falsch.

4

"Und was tut die Steuerbehörde dagegen, dass uns diese Summen gestohlen werden? Sie hält sich an Ihnen schadlos! Jawohl! Bei den Reichen hat sie das Handtuch geworfen; sie gibt es auf, deren Steuern einzutreiben. Statt dessen presst sie die aus, die am wenigsten verdienen." (81)

Eine radikale Kapitalismuskritik kümmert sich nicht um das richtige Maß der Ausbeutung. Nicht um das falsche Verhältnis von Reichtum und Armut. Erst recht nicht um Steuerflucht. Es geht ihr nicht um Umverteilung, sondern um Abschaffung.

5

"Kinder, denen der Zugang zu guten Bibliotheken genommen wird, werden auch daran gehindert, den richtigen Umgang mit Informationen zu lernen, den sie an Arbeitsplätzen brauchen, die wiederum zunehmend auf Informationen angewiesen sind." (140)

"Die Bildung, deren Verlust er (der Bourgeois, Anm. d. Verf.) bedauert, ist für die enorme Mehrzahl die Heranbildung zur Maschine", schrieb Karl Marx 1848 im Manifest der kommunistischen Partei. Es ging ihm selbstverständlich nicht darum, den Menschen in Dummheit vegetieren zu lassen, sondern ganz im Gegenteil die Bildung im Kapitalismus als organisierte Verdummung und Zementierung der herrschenden Verhältnisse zu kritisieren. Als "die interessierte Vorstellung, worin ihr eure Produktions- und Eigentumsverhältnisse aus geschichtlichen ... Verhältnissen in ewige Natur- und Vernuftsgesetze verwandelt".

Immer wieder wird mit dem Klagen über den Verlust der Bildung das herrschende Ganze affimiert. Die Bildung und ihre staatlichen Organe Schule und Universität, nehmen selbstredend ihren Platz in diesem Ganzen ein. Wenn nun allerdings so getan wird, als ob die Universität - wie es bei den in regelmäßigen Abständen stattfindenden Studentenprotesten passiert - außerhalb der kapitalistischen Totalität liegt, und noch dazu eine Demokratisierung und Mitbestimmung der Studenten gefordert wird, wird keine Herrschaftsfreiheit, sondern eine Optimierung der Herrschaft gefordert. Eine freiwillig angenommene und engagiert mitgetragene Herrschaftsform.

Horst van Houweninge (Antifa Duisburg)